Virtual Labs: Das Beste aus Baustoffen herausholen
In Virtual Labs optimiert wienerberger keramische Produkte und entwickelt innovative Lösungen. Als wissenschaftlicher Partner ist die TU Wien an Bord.
Virtual Labs: Das Beste aus Baustoffen herausholen
In Virtual Labs optimiert wienerberger keramische Produkte und entwickelt innovative Lösungen. Als wissenschaftlicher Partner ist die TU Wien an Bord.
Denkt man an ein Labor, hat man meist Bilder von weißen Labormänteln und Mikroskopen im Kopf. Doch was, wenn es sich dabei um ein virtuelles Labor handelt? Wie so etwas funktionieren kann, zeigt ein Forschungsprojekt von wienerberger mit der TU Wien: In sogenannten Virtual Labs werden künftig Produktsimulationen umgesetzt und Ziegelbaustoffe optimiert.
Ziegel sind Naturprodukte mit vielen positiven Eigenschaften. Sie sorgen beispielsweise für die Tragfähigkeit bei Gebäuden, bewirken ein angenehmes Wohnklima im Sommer sowie auch im Winter und schützen die Bewohnerinnen und Bewohner vor Schall. Um das jeweils beste Produkt für spezifische Anforderungen zu entwickeln, wurden bislang Prototypen erstellt, getrocknet, gebrannt und anschließend getestet. Dieser Prozess musste je nach Komplexität mehrfach wiederholt werden – das erforderte viel Zeit, Ressourcen, Energie und verursachte hohe Kosten.
Mit den Virtual Labs geht wienerberger nun neue Wege: An die Stelle von Trial-and-Error-Verfahren treten Computersimulationen auf Basis mathematischer Modelle. Damit lassen sich die Eigenschaften von Ziegeln, Ziegelwänden und -systemen berechnen und verbessern. „Mit dieser Methode können wir die physikalischen Eigenschaften der Produkte zielgerichtet optimieren. So können wir etwa Festigkeit, Wärmedämmung und Schallschutz auf die Anforderungen des speziellen Anwendungsgebiets des Ziegels abstimmen und dabei das Gewicht so gering wie möglich halten, um CO2-Emissionen zu reduzieren“, erklärt Andreas Jäger, Head of International Product Management Wall bei wienerberger.
Basis für das mikromechanische Modell: Unter dem Elektronenmikroskop werden die einzelnen Bestandteile des Ziegels sichtbar. (Quelle: Kariem, H., Kiefer, T., Hellmich, C., Gaggl, W., Steiger-Thirsfeld, A., & Füssl, J. (2020). EDX/XRD-based identification of micrometer-sized domains in scanning electron micrographs of fired clay. Materials and Structures, 53(4), 1-20.)
Am Beginn stand die Analyse der Mikrostruktur von Ziegelscherben sowie die Entwicklung mathematischer Modelle, um deren Eigenschaften beschreiben zu können. In der Folge werden nun drei virtuelle Versuchslabore für unterschiedliche Testbereiche eingerichtet: Keramik (Mikrostruktur optimieren), Mechanik (Ziegeldesign optimieren) und Produktion (Produktionsprozesse verbessern). „Mithilfe der Computersimulationen kann rasch festgestellt werden, welche Änderung den gewünschten Effekt hat. Dadurch lassen sich Ziegelprodukte und -systeme effizient und zielgerichteter optimieren“, schildert Jäger.
Ein Beispiel: Soll etwa die Wärmeleitfähigkeit verbessert werden, wird zuerst eine digitale Zeichnung des Ziegels gefertigt und ein Vorschlag für die Tonrezeptur erstellt. Sobald das mathematische Modell dahinter gelegt ist, werden unterschiedliche Parameter – wie zum Beispiel Porosität und Lochbild – testweise verändert. Dadurch lässt sich ihr Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit ermitteln, was eine Optimierung des Produktes ermöglicht. Ist die optimale Lösung gefunden, wird ein erster Prototyp erstellt. Wie lange dieser Prozess dauert, hängt von der Komplexität und den spezifischen Anforderungen ab. Dazu kommt, dass Ziegel stets mehrere Aufgaben erfüllen müssen – vom Schallschutz über die Tragfähigkeit bis hin zum Brandschutz.
Mithilfe von Computersimulationen kann rasch festgestellt werden, welche Änderung den gewünschten Effekt hat. Dadurch lassen sich Ziegelprodukte und -systeme effizient und zielgerichteter optimieren.
Das Innovative an den Virtual Labs: Damit können Produkte entwickelt werden, die konkret auf Kundenanforderungen abgestimmt sind. „Wir wollen aus der Vielfalt an spezifischen Produkten bei wienerberger das Beste herausholen – mit den Virtual Labs wird die Produktentwicklung immer effizienter“, ist Andreas Jäger überzeugt.
Mithilfe der neuen Tools lässt sich etwa die optimale Tonmischung und Brenntemperatur identifizieren, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Durch die Vorabberechnung der physikalischen Eigenschaften lässt sich auch die Time-to-Market-Zeit verringern. Die Qualität eines Ziegelprodukts hängt neben der Zusammensetzung des Tons auch von der Verarbeitung ab. „Eine Herausforderung bei der Ziegelentwicklung liegt darin, dass das Tonvorkommen in jedem Land unterschiedlich ist. Daher ist es schwierig, einheitliche Lösungen zu finden“, unterstreicht Wolfgang Gaggl, Head of Laboratory Hennersdorf bei wienerberger.
Eine Herausforderung bei der Ziegelentwicklung liegt darin, dass das Tonvorkommen in jedem Land unterschiedlich ist. Daher ist es schwierig, einheitliche Lösungen zu finden.
Nachhaltigkeit spielt bei wienerberger eine wichtige Rolle. Daher wird diese bei der Optimierung besonders berücksichtigt – beispielsweise durch die Reduktion des Produktgewichts, durch Verringerung der Brenntemperatur oder durch Verbesserung der Wärmedämmung. Die neuen Methoden sollen den Energieeinsatz in der Produktion um bis zu 15 Prozent senken und eine um fast ein Drittel verbesserte Wärmedämmwirkung bei gleichzeitig schlankeren Wandkonstruktionen ermöglichen.
Die Software für die Virtual Labs wird derzeit an der TU Wien entwickelt und im nächsten Schritt bei wienerberger implementiert. Über dieses Projekt hinausgehend arbeitet das Unternehmen mit weiteren Partnern wie der TU Budapest oder der TU Graz laufend weiter an der Produktentwicklung und -optimierung. Projekte wie die Virtual Labs sind wesentliche Schritte in Richtung Zukunft und stellen die Innovationsführerschaft sicher.
Die Virtual Labs von wienerberger werden im Rahmen des Projekts „Innovative Brick 2“ (2018-2021) zusammen mit der TU Wien entwickelt. Es baut auf dem Vorgängerprojekt „Innovative Brick“ (2014-2018) auf. Das Ziel ist, Ziegelmauerwerk unter Berücksichtigung des Produktionsprozesses zu optimieren. Beide Projekte werden durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) sowie den Österreichischen Klima- und Energiefonds unterstützt.