
Digitale Transformation bei wienerberger
Effizienz, KI und IT-Sicherheit im Fokus – ein Interview mit Franz Lesiw, SVP Group IT & Digitalization
Digitale Transformation bei wienerberger
Effizienz, KI und IT-Sicherheit im Fokus – ein Interview mit Franz Lesiw, SVP Group IT & Digitalization
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) sind längst keine Zukunftsthemen mehr, sondern entscheidende Erfolgsfaktoren für Unternehmen.
Besonders herausfordernd ist die digitale Transformation in dezentral organisierten Unternehmen mit vielen eigenständigen Standorten. wienerberger hat über 200 Produktionsstandorte in 28 Ländern weltweit und steht somit vor der Herausforderung, IT-Prozesse über alle Standorte und Länder hinweg effizient zu standardisieren.
Gleichzeitig verändert KI die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten – von der Produktion über die Wartung bis hin zur Entscheidungsfindung. Welche Rolle spielt KI heute, und wie sieht die Zukunft aus?
In diesem Interview gibt Franz Lesiw, CIO & SVP Group IT & Digitalization Einblicke in die digitale Transformation des Unternehmens, den Umgang mit KI und die Bedeutung von IT-Sicherheit in einer zunehmend vernetzten Welt.
Vor allem Effizienz und Kosten stellen in der Digitalisierung eine Herausforderung dar: Kein Werk bei wienerberger gleicht dem anderen – jedes hat eigene Prozesse und Standards. Ein Ziegelwerk benötigt eine andere IT-Lösung als ein Rohrproduktionswerk und auch die unterschiedlichen IT-Lösungen selbst werden zunehmend spezialisierter.
Franz Lesiw: Die besondere Herausforderung besteht darin, dass wienerberger ein internationaler Konzern mit einem zentralen Firmenhauptsitz ist, wir aber gleichzeitig starke lokale Strukturen haben. Daher geht es nicht darum, dem Dezentralen an sich entgegenzuwirken, sondern zentrale und lokale Anforderungen in der IT-Organisation in Einklang zu bringen. Bei wienerberger lösen wir das, indem wir zentrale und lokale Strukturen in einer integrierten IT-Organisation verbinden, entscheidend ist die Kompetenz unserer Mitarbeiter, nicht der Standort, an dem sie arbeiten – Verantwortung wird sowohl global als auch lokal getragen.
Um diese Balance zu halten, brauchen wir klare Rollen und gleichzeitig flexible Aufgaben. So bündeln wir unser Know-how, vermeiden Silos und erleichtern die Anpassung an einzelne Bereiche. Insofern ist Digitalisierung nicht nur ein technologisches Thema, sondern auch ein organisatorisches oder kulturelles Thema.
Franz Lesiw: Die Grundlage für unsere Digitalisierungsstrategie ist eine standardisierte Architektur: Die Infrastruktur, wie z. B. das Netzwerk und die Kommunikationsarchitektur sind die Basis, auf der der Aufbau weiterer Prozesse erst möglich wird. Nur wenn diese Grundlage standardisiert und sicher ist, kann alles, was darauf aufgesetzt wird, funktionieren. Egal ob das unternehmensweite Plattformen sind, die von sehr vielen Standorten und Ländern verwendet werden, oder ob es länderspezifische Lösungen sind, sie brauchen alle denselben Unterbau.
Im Umkehrschluss ermöglichen wir über diese Plattformen eine Skalierbarkeit, das heißt, wir versuchen in beiden Richtungen das Bestmögliche herauszuholen: Standardisierung und Individualisierung.
Das übergreifende Projekt zur Erweiterung unserer Enterprise-Resource-Planning-Softwarelösung (ERP/SAP) ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen IT und dem Business ist.
Dabei wurde unsere Plattform, die in mehr als 25 Ländern verwendet wird, technologisch auf eine neue Ebene gehoben. Das Projekt wurde aus der IT heraus angetrieben, aber stark verzahnt mit dem Business umgesetzt. Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg war die enge Involvierung aller beteiligten Länder und die große Transparenz über Entscheidungsprozesse.
Künstliche Intelligenz ist mit dem Erscheinen zahlreicher KI-Chatbots und KI-Suchmaschinen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der Hype darum ist groß. Auch in Unternehmen findet sich Künstliche Intelligenz immer häufiger in Arbeitsprozessen wieder.
Künstliche Intelligenz ist weit mehr als ein kurzlebiger Hype – sie wird die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten und wachsen, nachhaltig verändern. Entscheidend ist jedoch ein pragmatischer Ansatz: KI sollte dort eingesetzt werden, wo sie echten Mehrwert schafft.
Nicht überall, wo „KI“ draufsteht, ist auch wirklich KI drin – und nicht überall sollte sie es sein. Bei aller Begeisterung für die Technologie ist es wichtig, kritisch zu hinterfragen und zunächst das Problem zu verstehen, bevor man mit dem „KI-Hammer“ ansetzt.
Bei wienerberger nimmt die KI daher eine unterstützende Rolle in zwei Bereichen ein: in der Automatisierung und Mitarbeitereffizienz einerseits und in der Data Science bzw. im Data Analytics andererseits.
Wenn es um Mitarbeitereffizienz geht, kommen die bewährten Tools zum Einsatz, in denen KI ihre Stärken ausspielt – insbesondere bei kreativen und textbasierten Aufgaben. Ein Beispiel dafür ist Microsoft Copilot, das wir derzeit gruppenweit für alle White-Collar-Mitarbeiter ausrollen.
Im Bereich der Data Science sind es spezifischere Anwendungsfälle. Hier geht es darum, Daten aus Produktionsprozessen von Werken oder Maschinensteuerungen zu sammeln und mit KI anschließend zu verarbeiten.
Ein konkretes Beispiel ist ein Projekt von wienerberger Österreich. Die Herausforderung: hoher manueller Aufwand bei der Bearbeitung von Kundenanfragen zur Produkt-Kompatibilität. Aktuell müssen Mitarbeiter im Innendienst zahlreiche Produktdatenblätter manuell vergleichen. Unsere Lösung ist daher ein Sprachmodell (Large Language Model - LLM), das mit internen Daten „gefüttert“ wird und über einen KI-gestützten Chat gezielte Kundenabfragen ermöglicht.
Zusätzlich lassen sich dank gesammelter Daten Produktionsprozesse mit KI-Unterstützung gezielt optimieren. Mit einer spezifischen Datengrundlage zu einem bestimmten Werk lassen sich etwa gewisse Anomalien ablesen und Prozesse hinterfragen, wie z.B. „Warum ist Schicht A um 10 % produktiver als Schicht B?“ „Welche Einstellungen hat Schicht A verwendet, die sie effizienter gemacht hat als Schicht B?“
Nachvollziehbarkeit ist bei jeder Technologie wichtig – besonders bei KI. Die KI darf keine Black Box sein und muss engmaschig beobachtet und kontrolliert werden. Das Ergebnis einer KI-Abfrage muss nachvollziehbar sein. So lassen sich Fehlinformationen vermeiden und Entscheidungen transparent nachvollziehen.
Die Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile, stellt Unternehmen aber auch vor neue Sicherheitsherausforderungen. Besonders die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Systemen erfordert einen verstärkten Fokus auf IT-Sicherheit. Dabei geht es nicht nur um technische Lösungen, sondern auch um die Sensibilisierung der Mitarbeitenden gegenüber Cyberangriffen wie Phishing und Social Engineering.
Je mehr Digitalisierung es gibt, desto wichtiger ist die IT-Sicherheit. Bei all den Vorteilen bergen zunehmend vernetzte Maschinen auch Herausforderungen. Sie fordern eine engere Zusammenarbeit von IT und OT (Operational Technology).
Auch das Thema Social Engineering und dadurch die Bedrohung durch Schadsoftware rückt ins Zentrum der IT-Sicherheit. Gerade in einem großen dezentralen Unternehmen ist der einzelne Mitarbeitende über Phishing-Versuche sehr anfällig.
Vorschlag: Datenschutz und Compliance sind essenziell und erfordern ein Zusammenspiel aus klarer Governance, der richtigen Technologie und einer bewussten Unternehmenskultur.
Wir haben eine strukturierte Datenschutzorganisation etabliert, die klare Verantwortlichkeiten in IT und Fachbereichen definiert. In unseren Regionen und Werken setzen wir auf Datenschutzbeauftragte (DPOs), um sicherzustellen, dass Datenschutzmaßnahmen lokal wie global verankert sind.
Technologisch setzen wir auf sichere Speicherung, Verschlüsselung, regelmäßige Backups und strikte Zugangskontrollen, um sensible Daten bestmöglich zu schützen.
Ein entscheidender Faktor ist aber auch die Unternehmenskultur: Wir verfolgen einen Ansatz der Datenminimierung und -klassifizierung – weniger ist oft mehr. Das bedeutet, dass wir Daten nicht unnötig lange aufbewahren, sondern gezielt löschen, wenn sie nicht mehr benötigt werden – auch wenn Speicherkapazitäten heute kaum eine Einschränkung darstellen.